Schon seit 18 Jahren engagieren sich Birgit und Heinrich Baumgärtel für die Restaurierung des Ritterguts Karow. Das Ehepaar hat in dem Anwesen nicht nur ein Zuhause gefunden, sondern es auch für die Öffentlichkeit aus dem Dornröschenschlaf befreit.


„Ihr spinnt ja!“ So und ähnlich bekamen es Birgit und Heinrich Baumgärtel von allen Seiten zu hören, als sie den Gutshof Karow erwarben, um dort ein neues Zuhause für sich und ihre Familie zu schaffen. Das Anwesen, dessen Wurzeln sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, war in desolatem Zustand. Dessen Herzstück, ein Herrenhaus, errichtet Anfang des 18. Jahrhunderts, war größtenteils unbewohnbar, der groß angelegte Gutspark verwildert, die anderen Wirtschaftsgebäude des Ensembles ebenfalls stark sanierungsbedürftig. Doch die Baumgärtels sahen in dem Objekt viel mehr: ein prachtvolles Bauobjekt, das es wachzuküssen galt.


Von Hamburg nach Genthin

Beheimatet waren Birgit und Heinrich Baumgärtel eigentlich in Hamburg: Schon im Kindesalter sind die Familien der beiden befreundet. Er übernimmt irgendwann die väterliche Werft mit Stahlbauaffinität und erweitert das Spektrum um Brücken-, Anlagen- und Wasserbau. Nach der Wende, als sie selbst schon drei Kinder haben, entscheidet er sich, das Geschäft in den Osten zu verlagern, woher seine Familie ursprünglich stammt. Er kann an alte Kontakte anknüpfen und baut ab 1992 in Genthin die SIBAU Genthin GmbH & Co. KG auf, die heute rund 100 Mitarbeiter beschäftigt. Mit den Jahren wird die räumliche Trennung unter der Woche immer mehr zur Herausforderung für die Familie. So beginnen sie sich ab 2000 nach einem neuen Wohnort nahe der Firma umzusehen. Doch die Suche gestaltet sich schwierig. 2003 stoßen sie auf das ehemalige Rittergut in Karow, träumen groß, stellen ein Konzept für die Sanierung auf die Beine. Doch die Gemeinde entscheidet sich für einen anderen Interessenten. Als sich dessen Pläne zerschlagen, kommen die Baumgärtels doch noch zum Zug.


Einzug trotz Baustelle

2005 – die drei Kinder stehen selbst schon auf eigenen Beinen – übernehmen sie das baufällige Anwesen, verkaufen das Elternhaus in Hamburg und ziehen Hals über Kopf auf der Baustelle ein. Im dreiflügeligen Herrenhaus bewohnen sie zunächst drei Zimmer im Obergeschoss. Von da arbeiten sie sich Jahr für Jahr mit viel Einsatz leidenschaftlich voran. Sie forschen intensiv zur Historie des Anwesens, stehen in regem Kontakt mit der Denkmalschutzbehörde und bringen so immer mehr Puzzleteile zusammen.


Die alten Zeiten zurückholen

Nach dem Einzug pflanzt Birgit Baumgärtel im kleinen Teil des Parks, den sie miterworben haben, Rosenstöcke. Dabei stößt sie immer wieder auf Bruchstücke alter Fliesen. Ihre Recherche bringen ans Licht, dass die jetzige Küche der Baumgärtels im 17. Jahrhundert ein prachtvoller Fliesensaal war – rund 10.000 Fliesen zierten hier auf 90 Quadratmetern die Wände, behangen mit riesigen Gemälden. Ein Großteil der Fliesen ist im Kloster Jerichow eingelagert – diese können sie als Dauerleihgabe zurückgewinnen und damit den Raum mit viel Liebe zum Detail teilweise nach historischem Vorbild rekonstruieren. Ebenso den Boden aus Öllandplatten, der bei den Sanierungsarbeiten des nach dem Zweiten Weltkrieg lange als Schule genutzten Gebäudes zum Vorschein kommt. Wer heute die Küche im Erdgeschoss des Westflügels betritt, fühlt sich in frühere Zeiten zurückversetzt.

 

Die "silberne Halbkugel"

Die "silberne Halbkugel"

Der ehemalige Fliesensaal rekonstruiert.

Der ehemalige Fliesensaal rekonstruiert.

Ehepaar Baumgärtel

Ehepaar Baumgärtel

Fliesenbruchstücke

Teil der Dorfgemeinschaft

Dies ist nur ein Beispiel, wie das Ehepaar das einstige Rittergut sukzessive wieder in altem, neuem Glanz erstrahlen lässt. Sie verhelfen dem Park mit seinen alten Lindenalleen zu neuer Pracht, bauen die alte Brennerei wieder auf, kümmern sich hingebungsvoll um die Kapelle und vieles mehr. Heute steht der Park der Öffentlichkeit wieder zur Verfügung, die Hausherrin gibt Interessierten Führungen durch das Herrenhaus, die Brennerei beherbergt jährlich einen märchenhaften Weihnachtsmarkt. Die Baumgärtels haben nicht nur sich einen Traum erfüllt, sondern wieder Leben in die Anlage gebracht und die Dorfgemeinschaft mit eingebunden. Nicht zuletzt beherbergt der Ostflügel des Herrenhauses noch heute einen 1865 gegründeten Kindergarten und damit einen der ersten überhaupt in Deutschland.

Preis für Denkmalschutz

Für ihr jahrelanges enormes Engagement rund um das Rittergut Karow erhielt das Ehepaar Baumgärtel 2022 die „Silberne Halbkugel“ verliehen – die höchste Auszeichnung für ehrenamtliches Engagement für die Denkmalpflege in Deutschland. Die Würdigung freut und beflügelt die beiden weiterzumachen. Bald soll auf dem Gut auch die nächste Generation der Familie ihre Heimat finden. Denn das war von Beginn an Wunsch von Birgit und Heinrich Baumgärtel: Ein einzigartiges Zuhause für sich und ihre Familie zu schaffen.