Michael Reiß aus Kade hat sich auf Wild spezialisiert – mit eigener Jagd, Wildfleischerei, Hofladen und Imbisswagen.

Wildschweinschlackwurst, Rehsalami, Wildsoljanka, Waschbärbällchen ... Bock auf Wild? In der Wildererhütte von Michael Reiß in Kade gibt’s das alles und mehr – gejagt und frisch zubereitet vom Chef persönlich. Mit Leidenschaft für seinen Beruf, seinen Wald und seine Tiere.

Zum Wild kam Reiß, weil er auch passionierter Sportler ist. „Da habe ich mich natürlich viel mit gesunder Ernährung auseinandergesetzt“, erklärt er. „Es gibt kaum hochwertigeres und unbelasteteres Fleisch.“ Anfangs ließ der Jäger sein erlegtes Wild von anderen verarbeiten – bis sich die Möglichkeit bot, etwas Eigenes aufzubauen. „Und zwar dort, wo ich früher mit meiner Oma Schweine und Hühner gefüttert habe“, sagt er und fügt hinzu: „Ich baue ja auch für mein Leben gerne, habe alles entkernt und mir eigene Verarbeitungsräume geschaffen – mit allem, was dazugehört: Schwarzbereich, Weißbereich, Kühlzelle und Verarbeitung.“ Zerwirkräume heiße das korrekt. Hier könne er das Wild – das zu 90 Prozent aus der eigenen Jagd stamme – hygienisch verarbeiten. Im Juni 2022 gab’s dafür die EU-Zulassung, im Juli war Eröffnung. „Meine Oma, die von oben zuguckt, ist bestimmt stolz auf mich.“

Von Steinpilzsalami bis Waschbärboulette

Wer die Wildererhütte betritt, spürt sofort die Naturverbundenheit des Inhabers: Mit viel Liebe zum Detail ist der gesamte Laden in der Optik unbearbeiteten Holzes gehalten. Geweihe prangen an den Wänden, Auch die vielfältigen Produkte, die Michael Reiß hier verkauft, haben einen hohen optischen Wiedererkennungswert. 15 verschiedene Sorten Salamis mit Chili, Knoblauch, Steinpilzen, Walnüssen oder Preiselbeer, sieben Arten Bratwürste und zehn Wurstvarianten im Glas bis hin zu küchenfertigem Gulasch oder Chili con Carne hat Reiß im Angebot. Aber natürlich auch Steaks, Burgerpatties, Keulen, Filets und vieles mehr. Ein besonderer Renner sind seine Spezialitäten vom Waschbär. Seit er die Minibouletten auf der Grünen Woche in Berlin präsentierte, waren zahlreiche Pressevertreter von BILD bis hin zum MDR Fernsehen bei ihm zu Besuch. Grund genug, dass er nun auch Waschbärbratwurst anbietet – etwa frisch gebraten, wenn er mit seinem Imbisswagen auf großen Festen Halt macht. Neben seinen verschiedenen Grillwürsten hat er dann auch Burger, Hot Dogs, Gulasch und Soljanka dabei.

Was mag Reiß selbst am liebsten aus seinem Sortiment? „Schinken“, verrät er. Für einen Sportler sei dies das beste Produkt, weil nahezu ohne Fett. „Am liebsten vom Reh“, ergänzt Reiß. „Die selektieren bei der Nahrungsaufnahme stark und fressen nur ausgesuchte Kräuter. Das macht das Fleisch sehr edel.“


Steil durch die Decke

Eckt er mit seinem Angebot eigentlich auch an, wo sich heute immer mehr Menschen vegetarisch oder vegan ernähren? „Das hatte ich erwartet, aber nein – bis jetzt gar nicht.“ Im Gegenteil: „Die Nachfrage nach Wild geht bei mir gerade steil durch die Decke.“ Und das Feedback der Leute treibe ihn weiter an: „Zum Beispiel, wenn sich ein paar Jungs am Imbisswagen einen Wildburger holen und dann extra noch mal zurückkommen, um mir zu sagen: ‚Irre lecker!‘“ Zu Beginn musste Reiß jedoch auch Lehrgeld zahlen. „Die Zubereitung, die Auswahl der Gewürze ... viel Know-how gab’s von Muttern, der gelernten Fleischfachverkäuferin. Aber ich habe vieles auch selbst ausprobiert. Da waren dann einige Chargen dabei, die ich nicht verkaufen konnte.“


 

Das ist mein Leben

Doch wie wurde aus dem ehemaligen Kfz-Mechaniker ein Unternehmer und Jäger? Den Grundstein für seine Natur- und Wildleidenschaft habe sein Opa gelegt. „Wir waren oft mit dem Rad unterwegs und er hat mich immer wieder gefragt: ‚Was ist das für ein Baum? Wie heißt der Strauch? Welcher Vogel singt da gerade?‘ Und zwar so lange, bis ich es drauf hatte.“ Von daher sei er also schon immer ein Naturbursche. Anfangs habe er geangelt, dann kamen der Wald und die Jagd. Seinen Jagdschein machte er 1998 – zu großen Teilen im Selbststudium, weil die Bundeswehr dazwischen kam. „Da ich für die Prüfung kein dienstfrei bekam und trotzdem hinfuhr, gab’s sogar ein Disziplinarverfahren für unehrenhaftes Fehlen ... Aber ich hatte meinen Jagdschein in der Tasche“, kommentiert er schmunzelnd. Seine Kfz-Werkstatt hat er im Januar 2023 abgemeldet. „2.000 Hektar Wald bewirtschaften, dazu die Wildererhütte, den Imbisswagen – ich brauche zwar nur fünf Stunden Schlaf, aber das war am Ende nicht mehr nebenbei zu schaffen. Und was ich mache, das mache ich nun mal mit Vollzeitleidenschaft.“

Umwelterhaltende Jagd

Zur Jagd gehört für den 45-Jährigen weit mehr als das Erlegen von Wild. „Mir ist es wichtig, schonend zu jagen, auf die Bestände zu achten, nur Zuwachs und Schadwild zu entnehmen.“ Reiß sorgt dafür, dass es Wald und Wild gutgeht. „Ich mache viel für meine Tiere, habe ihnen zum Beispiel Ruhezonen und Blühstreifen zum Fressen angelegt.“ Und trotzdem schießt er sie für Herd und Pfanne? „Ich erlege die Tiere ja nicht wahllos, ich selektiere sie.“ So sei er kein Fan von Drück- und Treibjagden. „Wenn ich zum Beispiel einen Bock schieße, dann sind noch drei weitere auf der Wiese.“ Zu viele würden sich gegenseitig vertreiben, sich die Reviere wegnehmen. „Ein gesunder Wald braucht eben auch einen gesunden Wildbestand“, sagt Reiß. Wildschweine, die auf Äcker und Wiesen gehen und Schaden anrichten, Waschbären, die die einheimische Vogelwelt attackieren – hier greife er als Jäger ein – natur- und umwelterhaltend. Und wenn er sich zum gezielten Abschuss entscheidet, müssen die Tiere auch nicht leiden. Das sei wichtig, um sie nicht zu stressen. „Schweine sind ganz schlaue Tiere. Die kriegen mit, wenn ihnen Gefahr droht. Darauf reagieren sie mit Stress und den schmeckt man. Bei Stress verändert sich der pH-Wert, das Fleisch wird spröde oder wässrig. Als Jäger musst du also höllisch aufpassen, dass dir kein Fehler passiert.“

Gesicht zeigen

Reiß engagiert sich nicht nur für einen gesunden Wald und das Wohl der Bewohner. Als Vater von zwei Söhnen (3 und 11 Jahre alt) liegt ihm besonders die junge Generation am Herzen. Gerade habe er ein Konzept für einen Schülerwandertag erstellt: „Wir gehen in den Wald, ich erkläre die Tiere, den Naturschutz, das Verhalten, dann pflanzen wir zusammen kleine Bäumchen und bauen eine Leiter für den Hochsitz. Ich will eben nicht der unbekannte Jäger sein, der nachts unterwegs ist und den keiner kennt. Ich möchte präsent sein, ein Jäger, den man fragen kann. Das ist mir wichtig.“

„Ich bin Urkader. Mich kann man auch nicht verpflanzen. Wenn wir zehn Tage im Urlaub sind, dann habe ich Heimweh. Dann fehlt mir mein Wald.“


Drei Fragen

Was sollte man beim Kauf von Wild beachten?

Regionales Wild kaufen, auf Importe verzichten!

Was ist bei der Zubereitung wichtig?

Wild ist ein hochwertiges Produkt, das besondere Sorgfalt braucht. Beim Braten gilt: Nur kurz anbraten, nicht totbraten!

Was passt zu Wild?

Je nach Geschmack. Wir essen sehr gern Süßkartoffeln dazu, die haben einen super Nährwert. Mein Leibgericht: Rippchen mit Süßkartoffeln. Die wenigsten, die zu mir kommen, kaufen Wildschweinrippchen. Die bleiben tatsächlich oft übrig – und das, obwohl sie so lecker sind.