Jargalmaa Rentsendorj ist die beste Nachwuchs-Straßenbauerin Deutschlands. Durchgesetzt hat sich die gebürtige Mongolin vor allem gegen männliche Mitstreiter.

Akkurat gezogene Linien, ein passend vorbereiteter Untergrund, der richtige Abstand von Stein zu Stein – Pflastern will gelernt, geübt und gekonnt sein. „Beherrscht halt nicht jeder“, sagt Jargalmaa Rentsendorj lachend und nicht ohne Stolz. Genau der steht ihr auch zu. Denn ja, sie hat gelernt und geübt. Viele Stunden lang. Und ihr Können unter Beweis gestellt. Im Oktober 2022 wurde sie zur besten Nachwuchs-Straßenbauerin Sachsen-Anhalts gekürt. Im praktischen Leistungswettbewerb der Handwerksjugend verwies sie ihre männlichen Mitstreiter auf die Plätze. Beim Bundeswettbewerb in Berlin, an dem sie mit 60 Nachwuchshandwerkern teilnahm – darunter nur eine weitere Handwerkerin –, pflasterte sie in acht Stunden einen Gehweg. „Auch der konnte sich absolut sehen lassen, und so darf sie sich zu Recht die beste Nachwuchs-Straßenbauerin Deutschlands nennen“, freut sich Lutz Buchheister. Er begleitete die 25-Jährige während ihrer Ausbildung in seiner Firma, der Buchheister Straßen- und Tiefbau GmbH in Genthin.

Bereits in der Theorie überzeugend

Jargalmaa Rentsendorj stammt aus der Mongolei. Geboren auf dem Land, zog sie fünfjährig mit ihrer Familie nach Ulan Bator, nahm dort nach dem Abitur ein Studium für Bankenmanagement auf, schmiss das allerdings nach zwei Jahren. „Ich wollte ins Ausland, die Welt schnuppern, meine Möglichkeiten erkunden“, erzählt sie. Als ihre Mutter, Ökonomin und Managerin in einem Unternehmen, das Autobahnen baut, auf eine Initiative der Handwerkskammer Magdeburg aufmerksam wurde, die in der Mongolei Werbung für eine Ausbildung machte, stand ihr Ziel fest: Deutschland! „Das Land ist weltweit angesehen. Deutschland steht für Qualität“, begründet sie.

Die engen Ausbildungsbeziehungen mit dem rund 8.000 Kilometer entfernten ostasiatischen Land haben Tradition. „Schon zu DDR-Zeiten wurden bei uns in der Region mongolische Azubis ausgebildet – insbesondere für landwirtschaftliche Berufe wie die Milchverarbeitung. Mit dem erlangten Wissen ging’s dann zurück nach Hause“, weiß Buchheister. Jetzt, in Zeiten des hiesigen Fachkräftemangels, habe die Handwerkskammer Magdeburg mit ihrem Berufsbildungszentrum (BBZ), wo die Azubis praktisch ausgebildet werden, diese Tradition neu belebt. „Vor etwa fünf Jahren fragte mich der Leiter des BBZ, ob wir Interesse hätten, mongolische Jugendliche auszubilden.“ Die beiden ersten haben inzwischen längst ausgelernt und sind in der Genthiner Firma beschäftigt. Jargalmaa Rentsendorj gehört, zusammen mit einem weiteren männlichen Azubi, zum zweiten Ausbildungsjahrgang der Genthiner Straßen- und Tiefbauer. „Bereits in der Theorie überzeugte sie mit herausragenden Leistungen, da brauchte ich nicht lange zu überlegen“, verrät Buchheister. Und, dass er schon beim Kennenlernen fest daran geglaubt habe, dass „diese kleine, zarte Person durchaus in der Lage sei, sich in einer klassischen Männerdomäne wie dem Straßen- und Tiefbau zu behaupten“. Recht hatte er.

Pflastersteine Reihe an Reihe verwandeln sich zu einer Parkplatzfläche.

Volle Power für die Ausbildung

Nach zehn vorbereitenden Deutschlernmonaten in Ulan Bator und rund elf Flugstunden landete Jargalmaa Rentsendorj am 23. August 2019 in Deutschland. In Magdeburg hieß es für die Neuankömmlinge zuerst eine Woche lang: Sich vertraut machen mit der deutschen Lebensweise. „Da gab es so viele neue Dinge, die man unbedingt wissen muss“, erinnert sie sich: Wo kann man einkaufen? Wo findet man einen Arzt, die nächste Bank? Welche Behörden sind zu kontaktieren? Wo ist der Bahnhof? Wo und wie bekommt man Fahrkarten? Ihrem Chef wie auch den Kollegen verdanke sie sehr viel. Nicht nur fachlich Wertvolles. Auch viele kleine und größere Hilfen beim Zurechtfinden im deutschen Alltag. Und der hieß für die angehende Straßenbauerin: volle Power für die Ausbildung. Zwei Wochen Berufsschule, zwei Wochen praktische Ausbildung im Berufsbildungszentrum, zwei Wochen Buchheister Straßen- und Tiefbau GmbH. Und hier vor allem Einsätze auf verschiedensten Baustellen. „Im ersten Lehrjahr habe ich die Arbeitsabläufe kennengelernt, die im Straßen- und Tiefbau nötig sind: Holzbau, Mauerwerksbau, Rohrleitungsbau, pflastern, vermessen, Gefälle nivellieren.“ Mit Kennenlernen meint sie auch, selbst Hand anzulegen. „Ich habe Rahmen aus Holz gebaut, Schächte gegraben, gemauert und dabei versucht, die strengen Regeln des deutschen Mauerwerks einzuhalten“, erzählt sie. Mentor Buchheister ergänzt: „Das beherrscht sie inzwischen ausgezeichnet. Genau wie das Radladerfahren, das Beladen von LKW, den Transport von Baustellenmaterial und vieles mehr.“ Zudem habe sie ein top Zahlengedächtnis.

Der Einsatz moderner Technologien erleichtert die Arbeit auf der Baustelle um ein Vielfaches.

Ordnen und organisieren

Was sie selbst kaum für möglich gehalten hätte: Dass sie mittlerweile deutsche Begriffe kennt, die sie nicht einmal in ihrer Muttersprache beherrscht. Rüttelplatte zum Beispiel. Oder Hopser (ein Baggerstampfer). „Den Hopser kann ich allerdings leider nicht selbst bedienen, obwohl ich es probiert habe. Das ist mehr was für schwere Männer“, sagt die 1,60-Meter-Frau, die etwas über 50 Kilogramm auf die Waage bringt. Aber die Rüttelplatte, die klappt. Und was einen Kurzschluss angeht, da kenne sie zwar die knisternden Folgen, nicht aber die genaue Übersetzung ins Mongolische.

Was ihr ganz besonders liegt? Ordnen und Organisieren, erzählt sie. „Wenn ich auf eine Baustelle komme, überlege ich immer zuerst: Was wird gebraucht? Welche Rohre, welche Steine, welche Arbeitsgeräte? Wie viel davon und in welcher Reihenfolge? Das lege ich alles bereit.“ „Diese Baustellenlogistik, die Männer oft nicht so genau im Visier haben, ist absolut wichtig für einen reibungslosen Ablauf“, fügt Lutz Buchheister hinzu. Auf der Baustelle werde sie von allen respektiert und geschätzt.

Das Studium wartet

Jargalmaa Rentsendorjs großes Ziel ist es, zu studieren. Dafür muss sie allerdings einige Abiturbausteine nachholen, die in ihrem mongolischen Schulabschluss fehlen. Derzeit ist bei ihr Büffeln für die anstehenden Prüfungen angesagt. Im Sommer soll das mathematisch-physikalisch geprägte Abitur in trockenen Tüchern sein, damit der Startschuss für den Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen an der Fachhochschule Magdeburg zum Beginn des neuen Semesters klappt. Und wenn das alles gut läuft, würde sie gleich noch den Master dranhängen. „Damit stehen ihr in Deutschland alle Türen offen“, sagt Buchheister. Egal ob in der Wirtschaft, in der Planung oder in der Verwaltung. Zudem beherrsche sie das praktische Baustellengeschehen. „Vielleicht bleibt sie uns Genthinern ja treu.“ Er jedenfalls sei nicht abgeneigt, wenn sich die junge Mongolin dann wieder für die Buchheister Straßen- und Tiefbau entscheidet. „Wir können sie hier gut gebrauchen und möchten sie auch alle gar nicht mehr missen.“

Auf der Baustelle übt Jargalmaa Rentsendorj auch den Einsatz der Pflastermaschine.