Bei Christine Höcker dreht sich alles um die Zeit. Die Uhrmacherin führt in Burg das Fachgeschäft „Uhren & Schmuck Schulz“ in zweiter Generation.

Armbanduhren, Wanduhren, Standuhren, Wecker ... sie alle haben eine Bestimmung: die Zeit zu messen. „Und wir Uhrmacher sorgen dafür, dass unsere Kunden mit unseren Uhren zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein können“, sagt Christine Höcker.

Seit 2014 führt die 53-jährige Burgerin in zweiter Generation das Fachgeschäft für Uhren und Schmuck in der Magdeburger Straße. Gegründet wurde der Familienbetrieb 1968 von ihrem Vater, Uhrmachermeister Manfred Schulz, zunächst als Reparaturwerkstatt im Breiten Weg. „Zu DDR-Zeiten war der Handel mit Uhren und Schmuck ja größtenteils der damaligen staatlichen HO (Handelsorganisation) vorbehalten“, erinnert sich die heutige Inhaberin. Als Anfang der 90er-Jahre die Marktwirtschaft Einzug hielt, änderten sich die ­Bedürfnisse. „Die Leute wollten moderne Uhren, qua­li­tätsvollen Schmuck. Reparaturen traten vorerst in den Hintergrund.“ Manfred Schulz habe darauf reagiert und die ­Reparaturwerkstatt 1993 zu einem Fachgeschäft für Uhren und Schmuck erweitert.

Uhrmachergene geerbt

Christine Höcker, die zweifelsohne die väterlichen Uhrmachergene erbte, entschied sich zunächst für eine kaufmännische Ausbildung und einen anschließenden Bürojob. „Als mein Vater mich dann nach der Wende fragte, ob ich ihn unterstützen und im Laden mitmachen wolle, habe ich nicht gezögert. Zumal ich dort ja ohnehin bereits als Jugendliche oft mit eingebunden war.“


Wer hat an der Uhr gedreht?

Historisch belegt ist, dass die Zeit bereits Jahrtausende vor Christus gemessen wurde – damals mittels Schattenmessung. Später entstanden auf dieser Grundlage die ersten Sonnenuhren. Wer genau die mechanische Uhr erfand, ist nicht bekannt. Angenommen wird, dass die erste mechanische Uhr im 13. Jahrhundert in England gefertigt wurde. Nachweisbar ist der Einbau einer mechanischen Uhr im Jahr 1288 in der Westminster Hall in London. Die ersten mechanischen Uhren hatten im Übrigen nur einen Stundenzeiger. Uhrmacher gibt es seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Damals beschäftigten sich geschickte Schlosser und Schmiede mit der Herstellung und Reparatur von Uhren mit Räderwerken. Die Hauptbestandteile eines mechanischen Uhrwerks haben sich trotz Fortschritt und Weiterentwicklung bis heute kaum verändert.


 

Also drückte sie noch einmal drei Jahre die Schulbank, um sich zur Uhrmacherin ausbilden zu lassen. „Seitdem bin ich hier im Geschäft tätig.“ Nach dem Rückzug des Vaters vor zehn Jahren übernahm sie das Ruder. Tatkräftig unterstützt wird sie dabei von ihrem Mann Thomas sowie der Uhrmacherin Sieglinde Wilke.

„Vielseitigkeit und Abwechslung“ machten ihren Beruf aus, sagt sie und zählt auf: das Prüfen, Reparieren, Warten von mechanischen und elektrischen Klein- und Großuhren, das Restaurieren und Instandsetzen alter Uhren, der Verkauf, der nicht ohne Beratung auskomme. Für all das brauche es Geschicklichkeit, Geduld, Ausdauer, Sorgfalt, Verantwortungsbewusstsein. Wenn es ums Handwerkliche, sprich ums Reparieren gehe, habe sie sich so manche Kniffe und Tricks vom Vater abgeschaut. „Will sich eine Schraube nicht lösen, etwas Öl ran und schon läufts.“

Ebenso wichtig für ihren Job seien Menschenkenntnis sowie der Sinn für Mode und Ästhetik. Sie erklärt: „Wenn jemand eine Uhr kauft, dann sollte diese auch zu ihm passen, sollte weder zu groß noch zu klein sein. Ein sportlicher Typ möchte eine wasserdichte Uhr, ein eleganter Typ wählt eher eine Uhr mit Schmuckelementen. Ein älterer Mensch braucht eine Uhr mit deutlichen Zahlen und hellem Ziffernblatt, ein junger wünscht sich vielleicht eine mit vielen Spielereien.“ Dann die Frage: Welches Material auswählen? Stahl, Kunststoff, Titan, Keramik, Holz? Menschen mit Allergien seien mit den antiallergischen und langlebigen Titanuhren gut beraten. Auch Holz sei allergietechnisch ein sehr schönes Material, aber weich, Holz verändere sich durch Feuchtigkeit und Hitze und lasse sich nicht so gut reinigen. Auch die Frage, ob es ein Metall- oder ein Lederarmband sein soll, erörtert sie häufig. „Diese ausführliche Beratung schätzen unsere Kunden, und deshalb kommen sie gerne wieder“, sagt sie.

Uhren können mehr als Zeit

Um den Geschmack ihrer Kunden zu treffen, müsse sie als Uhrmacherin die Burger kennen und erkennen, was sie mögen. „Andernfalls würde ich nur Ladenhüter einkaufen“, erklärt sie schmunzelnd. „Die Burger kaufen gern nachhaltige Uhren, die man mehrere Jahre tragen kann und die zu vielen Outfits passen.“ Titanuhren zum Beispiel seien besonders beliebt, aber auch die Nachfrage nach Uhren mit Automatikbetrieb und solchen mit Solarantrieb steige stetig. Zudem erfreuen sich Smartwatches einer ungebrochen hohen Beliebtheit. „Uhren sind ja längst nicht mehr allein dafür da, die genaue Zeit anzugeben, einige von ihnen messen Puls, Blutdruck, Herzfrequenz, erinnern an die Einnahme von Medikamenten, zählen Kalorien, verschicken Nachrichten und empfangen welche, fotografieren und bezahlen an der Kasse.“

Und ja, auch Uhren gingen mit der Zeit beziehungsweise seien Spiegel der Zeitgeschichte. So habe es Anfang der 90er-Jahre auf einmal ein riesiges Angebot an Quarzuhren mit unterschiedlichen Funktionsweisen in modernen, innovativen Designs gegeben. „Das hatte zur Folge, dass kaum noch mechanische Uhren zu uns zur Reparatur gebracht wurden“, erzählt sie. „Die Wegwerfgesellschaft hatte Einzug gehalten, und das bekamen auch wir zu spüren.“ Seit einigen Jahren gehe der Trend erfreulicherweise wieder deutlich in eine andere Richtung. „Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und eine neue Wertorientierung haben auch Auswirkungen auf unser Handwerk. Viele unserer Kunden besinnen sich auf die guten alten mechanischen Uhren, Verkauf und Reparaturen in diesem Segment nehmen wieder zu.“

Natürlich gebe es da inzwischen die Konkurrenz des Online-handels, die Christine Höcker und ihr Team allerdings nicht fürchten. „Eben weil uns die Kunden, die unsere Fachkompetenz, unsere Zuverlässigkeit und die individuelle Beratung schätzen, die Treue halten. Das kann ihnen der Onlinehandel in dieser Form nämlich nicht bieten.“

Manchmal tuts auch die innere Uhr

Auch persönlich geht’s für Christine Höcker nur selten ohne Uhr. „Ich bin ein pünktlicher Mensch, und dazu braucht es den Blick aufs Ziffernblatt.“ Deshalb hängen selbst bei ihr zu Hause in jedem Raum mechanische und digitale Zeitanzeiger, „inklusive Garage und Terrasse“, verrät sie. Einzige Ausnahme: ihre Freizeit. „Privat verbringen wir viel Zeit im Freien. Entweder im Garten mit Familie und Freunden oder unterwegs mit dem Rad. Dafür brauche ich keine Uhr. Denn da kann ich mich sehr gut auf meine innere Uhr und auf die Hinweise der Sonne verlassen.“ Im Urlaub, wenn keine Verpflichtungen rufen, stehe sie auf, wenn sie munter sei, esse, wenn sie Hunger habe, gehe ins Bett, wenn sie müde sei. „Das regelt dann meine innere Uhr.“