Nach vielen Jahren Stadtleben hat Familie Egert ihr Glück im beschaulichen Großwulkow gefunden. Ein Besuch im neuen Zuhause.


Das Wort „Landflucht“ hängt seit vielen Jahren wie ein Damoklesschwert über so mancher ländlichen Gegend. Doch seit einiger Zeit ist ein Gegentrend zu beobachten: Immer mehr junge Menschen, vor allem Familien, kehren Städten und Ballungsräumen den Rücken, weil sie sich nach Entschleunigung, einem naturnahen Lebensstil und nicht zuletzt finanzieller Entlastung sehnen. Ihr Glück finden sie in kleinen Orten wie Wulkow. In der 400-Seelen-Ortschaft der Einheitsgemeinde Stadt Jerichow haben Monika (31) und Felix Egert (32) ihren Sehnsuchtsort gefunden. Mit ihren drei Kindern Elisabeth (3), Hanna (5) und Noah (7) haben sie im Spätsommer 2021 ein Einfamilienhaus mit weitläufigem Garten und einer großen Scheune im Ortsteil Großwulkow bezogen.

Familie Egert fühlt sich in ihrem neuen Zuhause in Großwulkow pudelwohl.

WUNSCH NACH EIGENEM GRUNDSTÜCK

Monika stammt ursprünglich aus der polnischen Stadt Jelenia Góra, kam jedoch mit ihrer Familie im Kindesalter in die Havel-Stadt Rathenow, wo auch Felix aufwuchs. „Früher hätten wir es uns nie vorstellen können, auf dem Dorf zu leben“, sagt er. In seiner Heimatstadt ist er als Servicetechniker angestellt und tagtäglich in einem Umkreis von 200 Kilometern unterwegs. Monika pendelt seit Jahren nach Berlin, wo sie seit ihrer Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte im Bezirksamt Wilmersdorf-Charlottenburg arbeitet. „Die Fahrzeit von knapp drei Stunden täglich hat mich eigentlich nie gestört. Aber je mehr unsere Familie wuchs, umso belastender wurde das“, erzählt sie. Mit der Zeit reift bei den beiden der Wunsch nach einem eigenen Grundstück im näheren Umkreis von Rathenow. Sie wünschen sich, mehr zur Ruhe zu kommen, dem Alltagsstress zu entfliehen. Doch die Suche bleibt zunächst erfolglos – bis sich Monika einmal Annoncen in der weiteren Umgebung anschaut. „Da hat mich die Anzeige aus Wulkow sofort angesprungen. Das muss doch ein Tippfehler beim Preis sein, dachte ich.“ Noch am selben Tag besichtigen sie das Haus. „Da war unsere Entscheidung gefallen, auch wenn es nur zur Miete ist“, erinnert sich Felix.

VIEL PLATZ ZUM AUSTOBEN

Das neue Domizil der Egerts liegt unscheinbar an einer schmalen, gepflasterten Seitenstraße. Doch wenn sich das schmiedeeiserne Tor neben dem Gebäude öffnet, huschen schon die drei Kinder mit Lauf- und Fahrrädern heraus. Eine große Scheune leuchtet mit freundlich orangefarbenem Anstrich in den Hof hinein. Unter ihrem breiten Vordach findet sich reichlich Platz zum Ballspielen und für Puppenwagen. Eine Wiese erstreckt sich vom Haus weit nach hinten. Trampolin, Klettergerüst und Pool stehen bereits, in den Bäumen am Grundstücksrand versteckt sich ein altes Baumhaus. Von der Terrasse mit selbstgebauter Paletten-Sitzlandschaft springen einem zwei junge Kätzchen entgegen, die mit den Egerts vor zwei Monaten eingezogen sind.

EIN NEUESLEBENSGEFÜHL

„Mit kleinen Kindern muss man immer raus. Die sind voller Bewegungsdrang“, erzählt Monika Egert. „In der Stadt bedeutete das jeden Tag: überlegen, was wir machen, alle fertigmachen zum Rausgehen, dann unterwegs sein.“ In Großwulkow gestaltet es sich nun ganz anders. Die Kinder gehen einfach selbstständig in den Garten, wenn sie raus wollen. Schon einen Tag nach ihrem Einzug stellt sich Hanna vor die Mama und sagt, sie fahre jetzt mit dem Rad durchs Dorf. „Das wäre in der Stadt undenkbar gewesen“, sagt ­Monika. In ihrer Dachgeschosswohnung in Rathenow hätte es zudem deutlich mehr Reibereien zwischen den Kleinen gegeben – obwohl auch dort jeder sein Zimmer hatte. „Jetzt spielen sie häufig miteinander und sind viel entspannter“, freut sich die Mama.

HERZLICHE NACHBARSCHAFT

Bevor das Familienleben Einzug halten kann, werkelt Felix allerdings sechs Wochen lang von morgens bis abends mit einem Freund in dem neuen Haus: Holzbalken abschleifen, Fußböden verlegen, Küche einbauen, Partykeller herrichten. Die Baustelle weckt sofort Neugierde im Dorf. „Nach und nach stellten sich alle Nachbarn vor, sogar der Bürgermeister hieß uns persönlich willkommen.“ Diese Aufgeschlossenheit überrascht die Egerts. „In der Stadt kannte man manche Nachbarn selbst nach Jahren nicht richtig“, erzählt er weiter. Bereits zwei Wochen nach dem Einzug werden die Egerts zu einem runden Geburtstag im Ort eingeladen. Und Monika und die Kinder knüpfen auf dem Spielplatz schnell Kontakte. Sie sind erstaunt, wie viele junge Familien in Großwulkow wohnen.

EIN NEUER JOB

Von ihrem Leben in der Stadt vermissen die Egerts nichts. „Wenn du willst, hast du hier deine Privatsphäre. Aber du kannst auch bei den Nachbarn klingeln und Gesellschaft finden“, sagt Felix. Arbeitstechnisch hat sich für ihn kaum etwas verändert, da er sowieso immer unterwegs zu Kunden ist. Monika hat das Glück, bald eine Stelle als Verwaltungsfachangestellte im Rathaus in Jerichow anfangen zu können. Damit gehören ihre langen Fahrten in die Hauptstadt bald der Vergangenheit an. „Wären wir nicht hierher gezogen, hätte ich den Schritt vermutlich nie gewagt, mir einen neuen Job zu suchen“, sagt sie sichtlich froh.

ANGEKOMMEN

Die Stimmung ist gelöst, als Monika und Felix Egert von ihrem Neuanfang erzählen. Hier wirkt nichts, als seien die fünf erst vor wenigen Wochen eingezogen. Man spürt, dass die Familie angekommen ist. Die beiden größeren Kinder verschwinden wie selbstverständlich im oberen Stockwerk, tauchen ab und an mal wieder in der Küche auf, während Elisabeth am Esstisch genüsslich die Kruste eines Strudels vernascht und alles vollkrümelt. Manchmal schnappt sich Felix seinen Sohn und fährt mit ihm auf dem Quad ein paar Runden durch die Wälder. Auch das bedeutet Angekommensein für die Egerts. Ideen und Pläne haben sie viele für ihr neues Zuhause. Zum Beispiel ein Hochbeet anzulegen, um selbst ein bisschen Obst und Gemüse anzupflanzen. „Hier hast du immer etwas zu tun“, sagt Felix und es klingt, als hätte er schon lange auf diese Gelegenheiten gewartet.

 

Nochmal Familienzuwachs für die Egerts: Zwei junge Kätzchen haben mit der Familie deren neues Domizil bezogen.

Die große, orangefarbene Scheune auf dem Grundstück wird von der Familie derzeit noch vor allem zum Spalten und Lagern von Kaminholz genutzt.