Als Kreisbrandmeister ist Walter Metscher der oberste Feuerwehrmann im Jerichower Land. Auch im Ruhestand ist der 66-Jährige Ehrenamtler nachts sofort hellwach, wenn ein Einsatz ruft.


Sonntagabend, 21.30 Uhr. Der TV-Krimi geht in seine heiße Phase, der Täter ist fast gestellt. Oder: Samstagnacht, 2.30 Uhr. Die Party mit Freunden war lang. Da tut eine Mütze Schlaf jetzt richtig gut. Zumal der Regen so beruhigend gegen die Fensterscheiben plätschert. Herrlich. Alles egal, wenn der Funkmeldeempfänger piept. Dann steht Walter Metscher Gewehr bei Fuß, in Sekundenschnelle. Bei Minusgraden genauso wie bei Dauerregen. „Wetter und Zeit sind mir völlig egal, wenn Menschen da draußen Hilfe brauchen“, sagt der 66-Jährige, der sein Leben in den Dienst der Freiwilligen Feuerwehr gestellt hat. „Sobald der Pieper losgeht oder ich eine Sirene höre, legt sich in meinem Kopf ein Schalter um. Dann weiß ich, irgendwo brennt‘s, Menschen sind möglicherweise eingeschlossen. Oder es hat wieder einmal gekracht, Verletzte müssen gerettet werden. Da ist es mir sogar schon passiert, dass ich nachts ohne Socken losgerannt bin.“

Daniel Ahlert (re.) und seine Kollegen aus dem Brand- und Katastrophenschutz übernehmen die Prüfung und Wartung der Atemschutzgeräte.

EIN LEBEN FÜR DIE FEUERWEHR

Ein Leben für die Feuerwehr sei nun mal ein Leben in Bereitschaft. Und dafür hat er sich bereits vor 50 Jahren bewusst entschieden. Als Ehrenamt. Seine Heimatfeuerwehr ist die Freiwillige Feuerwehr Biederitz. Dort, wo er mit seiner Feuerwehrfamilie zu Hause ist. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Sohn und Tochter sind beide bei der Berufsfeuerwehr tätig. Und seine Frau hat damals in Biederitz die Kinderfeuerwehr mitgegründet. Auch sein Schwiegervater war Feuerwehrmann. Und sein jüngster Enkel, ist zwar gerade erst zwei, aber auch schon vollauf begeistert, wenn der Opi mit ihm ein Feuerwehrauto inspiziert. In seinem Berufsleben trug der mittlerweile pensionierte Handwerksmeister eine andere Uniform: die der Schornsteinfeger. „Als es in der zehnten Klasse um die Berufswahl ging, schwebte mir Rundfunk- und Fernsehmechaniker vor. Das galt damals zu DDR-Zeiten als Traumberuf für uns Jungs. Oder Lokführer, das gefiel mir auch. Dann aber kam ein Schornsteinfegermeister zu uns in die Schule und hat seinen Beruf vorgestellt. Klang spannend. Nicht in der Werkhalle rumsitzen oder stehen, keine Arbeit mit Stechuhr.“ Jedenfalls habe er den Lehrvertrag für eine Schornsteinfegerausbildung unterschrieben – und diese Wahl auch nie bereut, fügt er noch hinzu. Die Möglichkeit, einen eigenen Kehrbezirk zu bekommen, führte ihn schließlich von Völpke nach Biederitz. „Und da bin ich bis zur Pensionierung auch geblieben“, sagt er.

BESTENS VORBEREITET

Verkehrsunfälle, Waldbrände, umgestürzte Bäume – sämtliche Schadensmeldungen unter der Notrufnummer 112 werden von der zentralen Leitstelle des Landkreises in der Burger Bahnhofstraße angenommen. „Das Neueste, was wir hier in Sachsen-Anhalt haben“, schwärmt Metscher. Die Leitstelle ist rund um die Uhr mit zwei Einsatzkräften besetzt, die die Lage einschätzen und Hilfe veranlassen. „Als unser Kommunikationspartner Nummer Eins reagiert sie sofort und löst die Sirenen der benötigten örtlichen Freiwilligen Feuerwehren aus. Dafür haben wir eine Alarm- und Ausrückeordnung hinterlegt, die jeden Schritt genau definiert, der im Notfall aus dem Effeff sitzen muss“, erklärt der Kreisbrandmeister. Er selbst wird ebenfalls informiert. „In unserer Informationskette fahren wir also immer zweigleisig: Ein Einsatzleiter koordiniert seine Einsatzkräfte vor Ort, ich kümmere mich um weitere benötigte Mittel und Kräfte und halte dem Einsatzleiter so den Rücken für seine eigentliche Arbeit frei.“
Die Feuerwehrtechnische Zentrale in Burg bildet ein wichtiges Rückgrat der Arbeit der Feuerwehrleute im Jerichower Land. „Hier hält der Landkreis zum Beispiel Spezialtechnik vor, auf die unsere Freiwilligen Feuerwehren bei Bedarf zurückgreifen können“, erklärt Metscher und nennt als Beispiel Sandsäcke bei Hochwasser. Oder Atemschutzgeräte, wenn Feuerwehrleute in brennende Häuser müssen. „Wir kümmern uns auch darum, dass die Kameraden vor Ort immer genügend Sauerstoff zur Verfügung haben.“ Zudem bietet das Feuerwehrtechnische Zentrum Kurse für Feuerwehrleute an.

ZWÖLF MINUTEN AUSRÜCKEZEIT

Das exotischste Vorkommnis in seiner Feuerwehrlaufbahn? „Die ausgebüxte Schlange eines Reptilienliebhabers, die sich in einem Versorgungsschacht verirrt hatte und von uns befreit werden musste“, erinnert er sich schmunzelnd. Den Alltag bestimmen aber leider immer wieder die zahlreichen Verkehrsunfälle. Besonders auf der A 2. „Da führen Baustellen zu Fahrbahneinengungen, Staus und Unfälle scheinen vorprogrammiert. In der Regel werden wir zweimal wöchentlich gerufen, um zu helfen.“ Dann sind die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren in zwölf Minuten vor Ort. „Das ist unsere Ausrückzeit, wie sie das Brandschutzgesetz in Sachsen-Anhalt vorsieht. Egal, ob kurz vor dem Weihnachtsschmaus mit der Familie, im Tiefschlaf oder im Supermarkt.“

„WER SOLL HELFEN, WENN NICHT WIR?“

Auch als Kreisbrandmeister hat Walter Metscher seinen Pieper stets am Mann – und nachts auf dem Nachtschrank. „Zwar auf lautlos gestellt, um meine Frau nicht zu stören, aber selbst wenn nur das Licht blinkt, werde ich sofort wach.“ Dann guckt er, was los ist, ruft die Leitstelle an und überzeugt sich davon, dass alles läuft. Oft fährt er aber immer noch selbst mit raus. Seine Montur liegt auf jeden Fall noch immer einsatzbereit im Korridor: Stiefel, Hose, Shirt, Socken, im Sommer eine Flasche Wasser. „Dass ich bei Alarm sofort von Null auf Hundert bin, steckt halt so drin.“ Abschalten könne er ohnehin nur, wenn er außerhalb seines Verantwortungsbereiches Urlaub mache.
Was ihn seit so vielen Jahren an der Arbeit als freiwilliger Feuerwehrmann festhält? Zumal er doch gemütlich auf der Couch sitzenbleiben könnte, gerade wenn‘s draußen so richtig ungemütlich ist. „Das ist ja genau unser Problem, dass viele so denken und wir dadurch große Probleme haben, Nachwuchs für dieses so wichtige Ehrenamt zu finden“, sagt er. „Aber wer soll denn helfen, wenn nicht wir?“

Walter Metscher ist seit fast 20 Jahren ehrenamtlich als Kreisbrandmeister im Jerichower Land tätig.

Helden von morgen gesucht
Im Alter von sechs Jahren ist der Eintritt in die Kinderfeuerwehr möglich, mit zehn geht es dann in der Jugendfeuerwehr weiter. Bei den Treffen werden die Kinder spielerisch an die zukünftige Feuerwehrarbeit herangeführt. Sie lernen die Fachbegriffe, ergründen die Funktionen der einzelnen Fahrzeuge und können sich in Wettkämpfen mit andern Jugendfeuerwehren messen. Wer Interesse hat kann sich jeder Zeit bei seiner Ortsfeuerwehr melden oder einfach direkt zu einem Treffen der Kinder- und Jugendfeuerwehren kommen. Infos und Kontaktdaten sind auf der Internetseite des Kreisfeuerwehrverbandes unter www.kfvjl.de zu finden.