Christoph und Michael Kaatz leiten den Storchenhof Loburg. Im Interview berichten sie, warum sie sich mit großer Leidenschaft für den Artenschutz einsetzen, verraten, was es mit dem Storchklappern auf sich hat, und geben Einblicke in das imposante Gesangsrepertoire des Gefieders im Jerichower Land.


Warum betreiben Sie einen Storchenhof?

Christoph Kaatz: Gegründet haben wir ihn 1979, um verletzten Störchen sowie anderem Gefieder zu helfen. Und um die Menschen für den Schutz der Natur und damit unserer Lebensgrundlage zu begeistern. Wir informieren, klären auf und vermitteln auch, wie bedroht viele Arten sind. Denn wenn wir so weitermachen wie bisher, verlieren wir in den nächs­ten zehn Jahren eine Million Tier- und Pflanzenarten. So hat es kürzlich die Weltbiodiversitätskonferenz festgestellt.

Wie viele Vogelarten leben hier in der Umgebung?

Christoph Kaatz: Grob geschätzt um die 100, wobei etwa ein Drittel davon als gefährdet gilt.
Michael Kaatz: An Störchen zählen wir im Jerichower Land um die 50 Paare, fünf davon bei uns in Loburg. Hier, in den elbnahen Gebieten, finden sie noch ausreichend Nahrung. Durch die großen landwirtschaftlichen Flächen ist das anderswo leider nicht immer gegeben.

Wen haben Sie derzeit zu Gast? 

Christoph Kaatz: Als Dauergäste zum Beispiel den flugunfähigen Schwarzstorch Mori, dem ein Drittel des rechten Flügels amputiert werden musste. Und Weißstorch Paul, der wegen einer starken Sehbehinderung nicht mehr fliegen kann. Auch einen Kranich haben wir in lntensivpflege. Zudem werden uns verletzte Rabenvögel, Greifvögel (von Eulen über Falken bis zu Bussarden) gebracht. Sie alle wären ohne unsere Hilfe in der Natur nicht mehr überlebensfähig. Deshalb ist es gut, dass es so viele aufmerksame Bürger gibt, die uns in unserer Arbeit unterstützen.

Was sind die häufigsten Ursachen, weshalb die „Patienten“ Ihre Hilfe benötigen?

Michael Kaatz: Die meisten Vögel, die zu uns gelangen, hatten Probleme mit Gefahrenquellen, die wir als Mensch geschaffen haben. Eine Stromleitung zum Beispiel, die gerade für Störche ein hohes Kollisions- und Stromschlagrisiko birgt, wenngleich die Energieversorger schon vieles unternommen haben, um diese Verluste einzuschränken. Oder herumliegender Müll, der zum Nestbau aufgesammelt wird, dann aber leider oft im Magen des Nachwuchses landet. Wir versuchen, den Aufenthalt unserer geflügelten Patienten so kurz wie möglich zu halten und sie nach zwei bis drei Wochen wieder auszuwildern. Immerhin handelt es sich um Wildtiere, die sich nicht zu sehr an uns Menschen gewöhnen sollen. Denn damit würden sie verlernen, sich in der Natur zu behaupten.

Zum Schutz der Tiere kann sicher jeder einen Beitrag leisten?

Christoph Kaatz: Auf jeden Fall. Man kann Vereinen und Verbänden helfen. Man kann auf versiegelte Flächen und englischen Rasen im Garten weitestgehend verzichten und lieber eine Blühwiese anlegen. Statt eines Swimmingpools darf es gern ein Naturteich als wertvolles Feuchtgebiet sein. Selbst auf einem Balkon kann man mit dem Anbau von Blühpflanzen helfen. Auch Brutstätten sind bei Vögeln heiß begehrt. Wer will, findet Wege – wer nicht will, erfindet Ausreden.
Michael Kaatz: Wir versuchen, den jährlich über 10.000 Besuchern zu vermitteln, wie wertvoll der Schutz unserer natürlichen Umwelt ist. Dafür werden wir dann fürstlich mit Geklapper und Gesang belohnt. Ja, auch akustisch ist bei uns immer ordentlich was los.

Und wer sticht da besonders hervor?

Christoph Kaatz: Für mich ganz klar die Nachtigall mit ihrer Stimmvielfalt und ihrem Melodienreichtum. Dicht gefolgt wird sie von der Mönchsgrasmücke. Auch die Kohlmeise kennt verschiedene Klangarten. Man sagt ja, sie läute damit den Frühling ein. Der Star wiederum ist ein Künstler im Nachahmen und Täuschen. Sogar einen Handyton bekommt er hin.
Michael Kaatz: Ich freue mich besonders, wenn sich der flötende Pirol meldet. Verrückt anzuhören ist auch, wenn zwei Spatzen lautstark ihr Revier markieren. Oder wenn im Baum der Waldkauz sitzt und die Amsel durch lautes Gemecker versucht, ihn zu irritieren und abzulenken, damit er nicht ihr Nest ausräubert.

Und was wollen uns die Störche mit Ihrem Klappern sagen?

Michael Kaatz: Geklappert wird aus ganz unterschiedlichen Gründen. Das weich klingende Begrüßungsklappern ist sozusagen ihr Handschlag. Wird gemeinsam geklappert, ist das Ausdruck von Freude. Es gibt aber auch das harte und deutlich lautere Droh- und das Verteidigungsklappern. Das hören wir hier aber eher selten. Gut so!

Bestens umsorgt: Dr. Christoph Kaatz kümmert sich persönlich um den Nachwuchs.

Ein Familienanliegen

Dr. Christoph Kaatz (83) ist diplomierter Landwirt und promovierter Populationsgenetiker, Gründer des Loburger Storchenhofes und aktuell Vorsitzender des Fördervereins „Vogelschutzwarte Storchenhof Loburg e.?V.“. Sein Sohn, Dr. Michael Kaatz (52), Diplomingenieur für Landeskultur und Umweltschutz, hat über die Migration der Störche promoviert. Er leitet den Storchenhof als Geschäftsführer.

Weitere Infos zum Storchenhof finden Sie hier

Auf dem Loburger Storchenhof werden neben Störchen auch Kraniche und ­Greifvögel aufgenommen.

Kein seltener Anblick im Jerichower Land: ein hoch getürmtes Storchennest.